Alles muss raus – Der Werbe-Roman
Das wilde Leben in der Werbung. Hier blicken Sie in 20 malerischen Geschichten hinter den Kulissen einer Agentur
Das wilde Leben in der Werbung. Hier blicken Sie in 20 malerischen Geschichten hinter den Kulissen einer Agentur
Jetzt bestellen: Hardcover, Paperback, eBook
Hans-Jürgen Steinmetz, Werbetexter, und die anderen Menschen:
Worum Steinmetz den Dalai Lama beneidete, war, dass er stets „Eure Heiligkeit” genannt wurde. Was ihn an Türken langweilte, war, dass sie angeblich geheimnisvolle Erben muselmanischen Wissens und Lebensstils waren, aber ihr Beitrag in Sachen Weltkultur für ihn nie über Döner Kebab hinaus gekommen war. Und was ihn an allen anderen nervte, war ihre egozentrische Rechthaberei.
Warum die Leute in der Werbung immer schwarz tragen.
Wie Rössner trug er die meiste Zeit des Tages über schwarz. Schwarze Hose mit kraushaarigen Beinen drin, darüber einen Pullover und manchmal ein schwarzes Hemd; aus diesen Klamotten kam er praktisch nie heraus. Es konnte ja sein, dass plötzlich ein Kunde in die Agentur herein schneite, ohne sie telefonisch vorgewarnt zu haben. Hätte er, Steinmetz, dann normale Jeans getragen, seiner Vorliebe für karierte Hemden nachgegeben und in diesem Aufzug die Agentur betreten, eben.
Wie man Marketing-Chinesisch spricht.
In dieser Welt klang der Satz „Die Katze fängt die Maus” dann wie „Wir haben mit effektiven Marktforschungstools das Segment gescreent und im Relevant Set der Katzen Mäuse gefunden.”
Hans-Jürgen Steinmetz präsentiert eine Funk-Kampagne.
„Also”, las er am Donnerstag vor, „jede Insel hat ihre Legende. Lauschen Sie, äh, der von Mallorca. Mit großem Report: So reben die Leichen – nein, so leben die Reichen auf der Perle der Balearen. Sie braumer vom Lehm, pardon, Sie brauchen mehr vom Leben. Öh, Sie brauchen Ilona, die Zeitschrift für die Top Geschmacks-Elite. Ilona, jetzt überall am Kiosk.”
Irene schwieg. Dann meinte sie mit schneidender Stimme:
„Und das soll so im Radio kommen? Mein lieber Steinwetz, da müssen Sie aber noch viel üben!”
Ihr Mann war ihren Gedanken gefolgt.
„Nein, Gott bewahre!”, rief er aus, „natürlich spricht das für uns später ein Profi, ein echter Werbesprecher, ein gelernter Schauspieler, der hauptberuflich Stars wie Tom Cruise, die Simpsons und Crocodile Dundee synchronisiert! Zum Beispiel Sky Dumont, den kennst du doch aus der Bunten!”
Worauf es bei Führungskräften ankommt.
„Ich geb dir einen guten Rat. Sei nie nett zu deinen Leuten. Du musst der Erste sein, der kommt, und der letzte, der geht”, sagte Thorsten Latour und log, dass sich die Balken bogen; spielte er doch auch nur den größten Teil seiner Zeit im Internet herum.
„Jedenfalls, Disziplin ist das, was ich erwarte”, sagte Rössner, ”die Latte steht ziemlich hoch.”
Soweit Steinmetz sah, war an seinem Chef nichts davon zu sehen.
„Kommen Sie doch mal in mein Büro. Setzen Sie sich bitte mal, mein Lieber. Zarette? Bitte. Tja, nun, wissen Sie wissen, als ich Sie damals einstellte, da hab ich das alles ernst gemeint, wissen Sie das?”
„Nein”, erwiderte Steinmetz stumm.
„Wie soll ich anfangen? Also, die Sache ist die, für mich ist Rössner Werbung eine Firma, die ist immer nur so gut wie ihre Mitarbeiter. Und ich glaube, Sie stehen jetzt direkt am Anfang eines großen Schrittes in Ihrer Karriere, so wie auch ich vor vielen Jahren. Können Sie sich vorstellen, in New York zu arbeiten?”
„Äh”, antwortete Steinmetz, mehr nicht.
„Ich jedenfalls nicht. Schon rein von der Sprache her, und dann erst die Mentalität! Die Amerikaner sind ganz anders als wir. Aber wissen Sie, New York, Berlin, Hamburg, Heidelberg, München, so ein großer Unterschied ist da gar nicht”, fuhr Rössner fort, „ich will nur, dass Sie sich bei uns wohlfühlen. Gibt es irgendwas, das ich verbessern kann, ein neuer Wagen, vielleicht wär das was?”
Wie es aussieht, wenn eine Agentur einen Etat gewinnt.
„Hier spricht die Anrufbeantworterfunktion des Teilnehmers Hans-Jürgen Steinmetz.”
„Tag, hier ist Werner Modenpiper, Königssprudel AG! Herr Steinmetz, Sie haben Vorschläge für unseren Sprudel präsentiert; ich will es kurz machen, Sie haben den Etat.”
Herz, mach einen Freudensprung! Auch Rössner hüpfte durch die Bude, bemühte sich aber um alltägliche Wirkung. Sie hatten vor drei Wochen Königssprudel und seine Wassermänner besucht, die Fließbänder mit rotierenden Flaschen besichtigt, den Auftrag in Empfang genommen und in hartem Wettbewerb gegen ebensolche Wettbewerber ihre Köpfe angebrochen.
Königssprudel war der Gewinn, auf den Rössner gewartet hatte. Mittags hielt er eine Ansprache im Bistro; so nannten sie den Durchgang zwischen den Büros, den sich eine Espressomaschine und vier Stehtische teilten: „Ich bin total begeistert, es macht wirklich Spaß, mit Euch zu arbeiten, besonders Dank an Steinwetz und sein ganzes Team, sprudel dich frisch, das war goldrichtig!”
Einen Tag später parkte Werner Modenpiper von der Königssprudel AG seinen rundlichen Audi im Hof. Er war ein väterlicher, mit dickem Schnauzbart und Augenringen versehener Kunde, der wie ein kleiner Junge verschmitzt lachte und zeigte, dass er seinen Stall im Zaum hatte. Ausdrücklich verlangte er Steinmetz zu sehen und herzte und kitzelte ihn ein bisschen, bevor er sich mit Rössner zu versprochenermaßen langweiligen Vertragsverhandlungen in Chefi’s Stüberle einschloss.
Wie schmeckt eigentlich Katzenfutter? Gedanken vor einer großen Agentur-Party
„Hartwig, Telefon!”, rief sie in die Halle hinüber, in der jener bereits seine beiden Füße vor dem wohlig knisternden Kamin ausgestreckt hatte und leise auf- seufzte.
„Ich komm ja schon! Rössner?”
„Ja, Servus, der Hartwig! Du, nächsten Samstag, die Party, ich weiß nicht…”
„Hm, ja?”, erwiderte Rössner und dachte mit blassem Mund: Jetzt sagt mir mein ältester Kunde ab.
„Wie ist die denn?”
Herr Rössner, der Herrn Dumpf schon länger kannte, atmete auf. In seinem Geiste sah er ihn vor sich, den Winkearm aus dem Ferrari haltend. Zudem kam Irene aus dem Wasser und schritt mit beleidigtem Gesicht vorüber, weil er sie nicht mit einem Badetuch erwartet hatte.
„Ach, super wird die, Carsten! Also, wirklich ganz außergewöhnlich!”
„Dann komm ich auch. Servus, Rössner-Bauer!”
„Tschüss, Carsten!”
„Gute Neuigkeiten! Effele kommt auch!”, freute sich Rössner, als er in Steinmetzens Büro trat, „nanu, schon im Mantel? Fahren Sie weg?”
Gleich darauf flog Steinmetz zu einem Treffen, bei dem sich die Kreativen der großen, weltumspannenden Agenturkette Fuchs Werbung International besser kennen lernen sollten. Sie saßen bei Brötchen und Cola munter beisammen, ein jeder stellte mit großem Selbstverständnis und dem Recht auf Arglosigkeit seine Arbeiten vor. Im Fall von Steinmetz war es Dumpf Bier; danach präsentierte eine Werberin aus München ihre Kampagne für Fressi, ein Katzenfutter, das angeblich prima schmecken sollte.
„Woher weißt du denn, wie das schmeckt?”, meinte er scheinbar arglos; aber da der Hintersinn seiner Frage klar war, erntete er missfällige Blicke, als würde er selbst mit dem Mund voller Katzenfutter da sitzen.
In der Werbung ist immer alles super
„Herr Steinmetz, Sie haben”, fuhr der Journalist fort, „bei Rössner Werbung Hydraulik Effele betreut. Mal unter uns: War die Kampagne eigentlich erfolgreich?”
„Und wie!”, flunkerte er, „nächste Frage!”
Kontakter verstehen die Welt nicht mehr
Ansonsten beschäftigte er sich jeden Tag mit seinem Juniortexter St. Efan und mühte sich mit ihm ab wie mit einem Automatic-Wagen, den man nicht anschieben konnte. Steinmetz hatte seine Abteilung neu organisiert, die dralle Petra zur Gruppenführerin ernannt und es war das erste Mal in der Geschichte der Menschheit, dass eine Frau einen solchen Posten bekam, jedenfalls von ihm.
Außerdem nahm Steinmetz an einer Reihe von Präsentationsgesprächen teil: Bei einem Radiosender, der die Charts rauf- und runter spielte, ungern unterbrochen vom Verkehrsfunk – wir brauchen als Kampagne eine eierlegende Wollmilchsau, hatte dessen Geschäftsführer gesagt – Vollmilchsau hatte ein Kontakter mitgeschrieben und daran auf dem Weg zurück zur Agentur bereits eine Argumentationskette aufhängt, die er dann stumm und verbittert wieder abmontieren musste, als sein Schreibfehler bekannt wurde – in Ermangelung einer Idee ließ Steinmetz ein Gehirn malen, als weiteres Motiv einen Steigbügel im Ohr, auch die Ultraschallaufnahme eines Herzens wurde rangenommen – bis hierher kommt Antenne Berlin, schrieb die dralle Petra, und der greise Herr Flachsbinder dichtete dazu den Slogan – Antenne Berlin. Kommt weiter.