Gute Werbetexter und Einsteins Relativitäts-Theorie
Werbetexter können Kompliziertes so erklären, dass es ganz einfach klingt. Sie wissen aber auch, wann das nicht gefragt ist.
Gute Werbetexter lesen viel, zum Beispiel Bücher, in denen die Relativitätstheorie erklärt wird – und zwar „jetzt endlich mal einfach und verständlich“. Ich habe diese Bücher alle gelesen und weiß jetzt: Das geht einfach nicht. Warum das so ist, will ich Ihnen gerne verraten.
Komplexe Themen wie die Relativitätstheorie mit ihrem Raum, der Zeit, den Quanten und den Elementarteilchen setzen eine Menge Fachwissen voraus. Und das, was Albert Einstein jahrelang entwickelt hat, ist nun mal schwer zu verstehen. Es ist nicht kompliziert, damit es keiner versteht, sondern weil die Materie darin so verdichtet ist. Und wer sich zutraut, das ganz schlicht und einfach zu erklären, muss dabei schon auf einige Details und auf Genauigkeit verzichten.
Darum haben gute Werbetexter Respekt vor Kompliziertem
Komplexe, fachspezifische Themen gibt es auch in der Werbung. In der arbeitet man ja nicht nur für Hamburger, Mobilfunknetze und Fluglinien, sondern auch für Kunden, die – sagen wir mal – die Gummibärchenpressmaschinen für Haribo oder Zubehörteile für BMW herstellen. Gute Werbetexter müssen dann wissen, dass beim Schreiben für komplizierte Produkte mit gesetzten Begriffen und Fachwörtern gearbeitet wird, die unbedingt respektiert werden sollten. Denn schließlich geht es für ja darum, den vom Kunden verlangten Anspruch auf professionelles Wording zu verstehen und umzusetzen.
Jede Fachsprache schmückt ihren Sprecher
Das ist auch der Grund, warum große Teile der Werbung – auch die für Versicherungen, Banken oder Gabelstaplerhersteller – oft sehr kompliziert wirken. Wenn z.B. der Logistik-Spezialist Jungheinrich schreibt, „eine Basisvariante kann beispielsweise folgende Elemente beinhalten: 1.000 m PP-Umreifungsband im Spenderkarton oder auf einem Abroller, 2.000 zum Band passende Verschlusshülsen sowie ein kombiniertes Spann- und Verschlussgerät, mit dem sich das Umreifungsband sicher spannen und abtrennen lässt, und das zudem die Hülsen verschließt. Ein solcher tragbarer Kombispanner integriert somit die Funktionen eines Bandspanners und einer Verschlusszange, die auch als Einzelartikel erhältlich sind“ – dann hat das seinen guten Grund.
Denn diese Werbung ist für Fachleute gedacht. Wenn Werbetexter sie „auf einfach umschreiben“, würden sie ihre Zielgruppe nicht erreichen. Oder unglaubwürdig und unprofessionell wirken. Darum lässt man so etwas am besten bleiben.
Warum einfach, wenn‘s auch kompliziert geht?
Auch in großen Teilen der Pharma-Werbung spielt die Allgemeinverständlichkeit keine Rolle. Der Grund: Nicht jeder muss sie verstehen. Sätze wie „Bei Ibuprofen handelt es sich um ein nichtsteroidales Antiphlogistikum (NSAR) aus der Gruppe der Arypropionsäure-Derivate“ sind dazu gedacht, um eine ganz spezielle Zielgruppe zu informieren – und nicht, um damit Kreativpreise zu gewinnen. Gute Werbetexter müssen darum sehr behutsam vorgehen, wenn sie die Komplexität und Genauigkeit der Informationen erhalten wollen.
Information und Kompetenz sind legitime Werte
Bedeutet das, dass Kreativität bei komplizierten Themen keine Rolle spielt? Natürlich nicht. Denn gute Werbetexter wissen, wie die Kreativität in solchen Fällen die Kompetenz der Texte unterstützen kann. Sie wenden dabei nur einige Tricks an und setzen sich vor allem besonders intensiv mit der Zielgruppe auseinander. Und so bauen Sie in komplizierte Texte Elemente ein, die als kreativ wahrgenommen werden:
5 gute Ideen für gute Werbetexte
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Belassen Sie den Satzbau, aber verändern Sie, so oft es geht, den Blickwinkel. Das geht, indem Sie zum Beispiel eine Außensicht der Thematik einfügen; danach sollten Sie aber so schnell wie möglich wieder zum informativen Text zurückkehren. Sie können auch kurze Ausführungen und Verweise auf verwandte Themen des Kunden einbauen – das lockert die Struktur auf.
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Versuchen Sie, dem Thema immer einen neuen Aspekt abzugewinnen und ihn in den Vordergrund zu stellen. Aber wichtig ist: Bleiben Sie beim Thema!
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Verzichten Sie bei informativen Texten auf Humor und auf Wortspiele – die mögen zwar gelangweilte Fachleute erfreuen, nehmen aber ihren Informationen die Kompetenz.
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Achten Sie darauf, dass die Texte nicht zu kurz werden. Gute Werbetexter vermeiden auch die Art von Schreibstilen, die in Focus Online praktiziert werden, also Headlines wie „Als Maischberger Gespräch beenden will, zieht CSU-Minister Schokolade aus Jackett“. Stattdessen greifen gute Werbetexter zu den bewährten Elementen der Grammatik und sparen nicht mit passenden Adjektiven, Artikeln und Anreden.
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Verstehen Sie das Thema. Um das alles zu tun, müssen Sie sich intensiv mit der Thematik und Materie ihrer Aufgabe beschäftigen – und sie soweit wie möglich begreifen. Aber eines müssen sie dabei ganz bestimmt nicht sein: Ein neuer Albert Einstein.