Liebe Lust und Leidenschaft in der Werbung

Liebe, Lust und Leidenschaft

Leidenschaft verleiht keine Flügel –
warum Leidenschaft ein unscharfer Begriff ist.

Wo Leidenschaft in der Werbung verwendet wird

In guten Werbetexten kommt sie eher selten vor – das wohl bekannteste Beispiel für ihre Verwendung ist der Slogan der Deutschen Bank: Leistung aus Leidenschaft. Von dem hat sich die Bank übrigens getrennt, weil sie den Slogan nicht schützen konnte.

Dennoch scheint die Werbung ohne das Wort „Leidenschaft“ kaum auszukommen. Schon beim schnellen Blick ins Netz sieht man Leidenschaft für Immobilien, Werbung aus Leidenschaft, die Kunst der Leidenschaft, Leidenschaft für den Mittelstand, für Mensch, Umwelt und Produkte u.v.a.m. Woher kommt das? Warum ist Leidenschaft so beliebt?

Leidenschaft ist das Gegenteil von Lahmarschigkeit

Weil Leidenschaft in der Werbung eine besondere Aufgabe hat. Sie soll Gefühle simulieren und klar machen: Hier ist jemand am Werk, für den z.B. das Verkaufen nicht nur ein Job ist – sondern eine echte Leidenschaft.

So dient „Leidenschaft“ also zum Legitimieren. Denn was soll daran falsch sein, was jemand mit Leidenschaft tut? Abgesehen von – okay – Verbrechen aus Leidenschaft?

Mehr als 420 Unternehmen verwenden „Leidenschaft“ im Slogan – aber funktioniert das auch? Zündet der Begriff „Leidenschaft“, setzt er positive Assoziationen frei? Nicht immer.

Wir brennen für Dingsbums

Leidenschaft in der Werbung ist oft schon Teil des Briefings – der Auftraggeber wünscht, sich als emotional und begeistert darzustellen, und klar zu machen, dass er für etwas besonders brennt. Da liegt es dann nahe, den Universalbegriff einfach über alles drüber zu stülpen: Übers Kochen, Autoreparieren, Investmentfonds usw. Das alles wird durch das Attribut Leidenschaft nicht unbedingt besser, aber geadelt. Denn wer eine Leidenschaft für das hat, was er tut, braucht nichts zu beweisen – die Leidenschaft selbst ist schon Beweis genug.

Leidenschaft für Leidenschaft

Dabei ist Leidenschaft ein Gefühlsersatz, so wie auch Muckefuck den Kaffee ersetzt. Eine Leidenschaft kann man für alles Mögliche entwickeln – für Cognac, schnelle Frauen, schöne Autos, Zigarren, Tätowierungen, Prügeleien u.v.a.m. Wer eine Leidenschaft heraus hängt, kann damit Charakter darstellen – indem er alles der Leidenschaft unterordnet. Was dabei raus kommt, sieht man zum Beispiel an Red Bull – Leidenschaft ist da, sonst nix. Denn mit der Berufung auf eine Leidenschaft zeigt man, dass einen nur ganz bestimmte Dinge interessieren. Was links und rechts der Leidenschaft ist, nimmt man nicht richtig wahr – Leidenschaft macht blind.

Es geht auch anders – ohne Leidenschaft

Dabei ist beim Werbetexten ist „Leidenschaft“ meistens das Ergebnis einer gewissen Faulheit – dessen, der den Begriff verwendet. Denn schon nach kurzem Nachdenken über gute Werbetexte kann man auf viel bessere Lösungen als den Allerweltsbegriff kommen – „Liebe“ zum Beispiel. Oder „großes Interesse“. Oder „die Hauptsache“. Lauter Begriffe, die Andersdenkende nicht abschrecken, sondern Neugierde und Aufgeschlossenheit möglich machen. Am besten probiert man’s einfach aus – es sei denn, man brennt für Worthülsen.