Redewendungen? Nein Danke!
Redewendungen sind bequem, aber zu bequem sollte man es sich damit auch nicht machen. Hier sind Tipps, wie man am Besten damit umgeht.
Schon praktisch – Schreiben mit Redewendungen…
Da beißt keine Maus den Faden ab: Redewendungen gibt’s wie Sand am Meer – auch in Journalismus, Kommunikation und Werbung. Die Dinger sind wirklich praktisch, weil sie immer schnell zur Hand sind. Ihr wissenschaftlicher Name ist „Phraseologien“, und Sie können damit locker Zwölfe gerade und den Herrgott einen guten Mann sein lassen, ohne sich beim Schreiben oder Denken echt einen abbrechen zu müssen. So sorgen Sie für mehr Speed beim Lesen, geben Ihrem Affen Zucker und machen damit, wenn man sie richtig anwendet, in jeder Sprache schwer was her.
Worauf man dabei achten sollte
Sie merken schon, mit Redewendungen kann man auch gut die Zeit überbrücken, ohne viel Konkretes sagen zu müssen. Wenn Sie Redewendungen behutsam einsetzen, können Sie damit schnell wirksame Bilder und Assoziationen im Kopf erzeugen. Aber Sie sollten dabei aufpassen, denn das funktioniert immer nur eine Zeitlang. Wenn Redewendungen zu oft eingesetzt werden, verlieren sie ihre Wirkung – und verwandeln sich im Handumdrehen von passenden Vergleichen zu leeren Worthülsen. Und leider locken die dann keinen mehr hinterm Ofen hervor. Oder jedenfalls fast keinen. Was heißt: Ihre Sprache erreicht die Zielgruppe dann nicht mehr richtig.
Die Nachricht schlug ein wie eine Bombe!
Redewendungen – wo kommen die eigentlich her?
Kaum zu glauben, aber wahr: Viele Redewendungen stammen noch aus dem Mittelalter – das zeigt, dass sie extrem lange haltbar sind. Etwas im Schilde führen, über einen Kamm scheren, Ross und Reiter nennen, jemandem den Hof machen – mit solchen Sprüchen kann man sich seit Jahrhunderten verständlich machen. Auch unser Jahrhundert hat neue Redewendungen und Kurzformen hervorgebracht – und hier sind wir beim Thema „Inflationäre Verwendung“. Denn wenn ein Medium einmal eine passende Formulierung gefunden hat, wird die immer wieder rausgehauen, von den anderen abgeschrieben und schließlich totgeritten. Der Effekt davon ist: Manche Redewendungen kommen einem zu den Ohren raus, bewegen nichts mehr wirklich und funktionieren nur noch als Worthülse. Achten Sie also unbedingt darauf, sie zu vermeiden – zum Beispiel:
Wer heute toll ist, ist eine „Ikone“ (also eine Heiligenfigur der orthodoxen Kirche) – das wurde mit Zusätzen wie Stil-Ikone, Beauty-Ikone, Instagram-Ikone, TV-Ikone etc. über fast jeden Prominenten geschrieben. Das ist Glamour von der Stange und bewirkt nichts mehr. Vielleicht fällt Ihnen ja eine neue Formulierung ein – und wenn Sie schon mal dabei sind, überlegen Sie bitte auch, ob die Boulevard-Bezeichnung „Explodieren“, d.h. mit lautem Krach kaputtgehen und alles in Trümmer legen, wirklich das ist, wozu die Spritpreise, Kriminalitätsraten und Mieten neigen. Wenn Sie zu entscheiden haben, nehmen Sie sich die Zeit und schreiben Sie ruhig „explosionsartiges Wachstum“ – das beschreibt es genauer. Und bedenken Sie, dass – wenn heute noch Nachrichten „wie eine Bombe“ einschlagen – das schön ein ziemlich großes Kaliber für eine meistens eher kleine Neuigkeit ist.
Was bedeutet eigentlich CEO, CMG und ECFO? Hätten Sie’s gewußt?
Wie unkaputtbar sind Redewendungen?
Wenn man Redewendungen von früher mit modernen Redewendungen vergleicht, fällt auf, dass die neuen Redewendungen nicht besonders haltbar sind. Genau so wie eine klare Evolutionskette von „knorke“ und „astrein“ zum „geilen Scheiß“ unserer Zeit besteht, werden auch Begriffe wie „Starcoiffeur“ und „stylisches Home-Office“ eine Zeit lang in den Medien weiter leben, aber nicht mehr im Volksmund. Und auf den sollten Sie achten, wenn Sie verstanden werden möchten. Versuchen Sie, um auf Nummer Sicher zu gehen, Kombinationen aus Deutsch und Englisch ebenso zu vermeiden wie die Kreation neuer Abkürzungen – die Leute haben zwar schon „CEO“ verinnerlicht, am „CMG“ und „ECFO“ arbeiten sie aber noch.
Wenn Knöllchen drohen, wird die Maus schnell ärgerlich.
Von Abgelatscht bis Geht so – ein Panoptikum der Redewendungen
Eine oft benutzte Worthülse ist auch das „sich neu erfinden“. Es besagt im Wesentlichen, dass nichts Neues über einen Star o.ä. zu berichten ist, außer dass er ein neues Foto von sich veröffentlicht hat. Weitere Konsequenzen hat das „sich neu erfinden“ meistens nicht. Wenn sich z.B. Gerhard Schröder auf Instagram „neu erfindet“, weiß man nicht genau, was damit gemeint ist – und die Abgelatschtheit der Worthülse sorgt dafür, dass vermutlich kein großes Interesse an der Neuigkeit dahinter aufkommen wird. Sinnvoller wären hier Formulierungen wie „Unglaublich, was Schröder da macht!“ gewesen. Der wichtigste Tipp in Sachen Redewendungen ist darum: Lieber noch mal drüber nachdenken, bevor man sie verwendet. Wenn aus einfachen Bechern „echte Hingucker“ werden, ist das nicht unbedingt das Gelbe vom Ei. Wenn in Köln „Knöllchen drohen“, ist das schon besser, weil greifbarer, bildlicher und kommunikativ schnell. Aber wenn im Fernsehen Leute beim Händeschütteln gezeigt werden, ist es übertrieben, das „aus heutiger Sicht eine wahre Horrorshow“ zu nennen. Denn wie gesagt: Bei modernen Redewendungen kann sich die Gesamtlage sehr schnell ändern.
Mach’s gut! Mach’s besser!
Redewendungen können also ganz schön hilfreich sein. Aber was, wenn Ihnen keine passende einfällt? Dann ist es das Beste, sich auf die vier Buchstaben zu setzen und den Lesern gegenüber Respekt zu beweisen – indem Sie selbst schöpferisch tätig werden. Denn jede selbstgemachte Formulierung, die neu ist, trifft ins Schwarze – und ist immer besser als der Griff in die sprachliche Trickkiste von Anno Dunnemals, als Bartel noch den Most holte und Columbus noch ein Ei hatte. Eine eigene Formulierung wirkt immer überraschender als Redewendungen, liest sich besser und zeugt von Ihrer sprachlichen Eleganz. Also, wann fangen Sie damit an?