Über die Sprache in Zeiten der Sprachlosigkeit

Die Sprache in der Corona-Krise

Logdown, Ellbogen-Gruß, Hotspot, Abstandsregeln und Hygienevorschriften, Masken-Pflicht – der Virus hat nicht nur unseren Alltag verändert, sondern auch die Sprache in der Corona-Krise beeinflusst. Zu den wichtigsten Tools, mit denen die Ausbreitung des Virus verhindert werden soll, zählen die Masken. Wie lebt es sich eigentlich damit? Und wie beeinflussen sie unsere Kommunikation?

Die neue Normalität

Das man mit der Corona-Krise auch anders umgehen kann, beweist uns der Blick ins Ausland. In Thailand, wo Menschen mit Masken ohnehin zum Straßenbild gehören, machen alle auch ohne große Aufforderung mit und helfen diszipliniert dabei, das Virus zu vertreiben (mit Erfolg, sagen die Zahlen). Das Ergebnis ist, wie die Fotos von Peter Nitsch zeigen, Würde und Selbstverständlichkeit. Wär schön, wenn’s auch bei uns so wäre.

Der kleine Virus und seine großen Folgen bei uns

Denn eigentlich kann es ja auch Spaß machen, mit Masken rum zu laufen – man ist ein bisschen undurchschaubar, etwas unsichtbar und fast immer geheimnisvoll. Aber im Alltag stört der Mund-Nasen-Schutz dann doch manchmal. Das hat dazu geführt, dass sich viele Leute mit Maske nicht verstanden fühlen, stumm durch die Supermarkt-Regale schleichen und dabei sprachlos sind – ihnen fehlen die Worte. Aber warum ist das so? Und was kann man dagegen tun?

Das Problem: Nix verstehen

Das ist die Ursache: Weil Zeit Geld ist, wollen die Leute im Normalbetrieb ihre Gedanken möglichst schnell an den Mann bringen. Die Folge ist dann eine rasche, haspelnde und unsaubere Aussprache, die zu dem führt, was man zum Beispiel von Germany’s next Topmodellen und dem Dschungelcamp kennt: Dem Nuscheln.

Genuschelt wird den ganzen Tag über, und durch die Maske wird die Sprache in der Corona-Krise noch schlimmer. In Läden, auf Ämtern, auf der Straße – überall wird immer wieder nachgefragt, weil der andere nichts verstanden hat. Und je öfter man nicht verstanden wird, desto unwilliger wird man. Die Folge: In der Corona-Krise sprechen die Leute weniger miteinander, die Sprache verkümmert, und in Deutschland versteht man sich nicht mehr richtig.

Aber muss das so sein? Geht es nicht auch anders?

Die Lösung: Mehr von allem

Klar geht das anders. Man kann die Maske ja auch als Accessoire zum Kommunizieren einer Einstellung nutzen. So betonen medizinisch wirkende Masken das Besorgte und die Verantwortung für andere Menschen. Und man kann auch Sprache in der Corona-Krise nutzen – und mit Aufschriften, Logos oder Symbolen auf der Maske zeigen, dass man eine Botschaft loswerden will, oder Fan von etwas ist.

Allerdings sieht man es ja keinem an der Maske an, was er denkt oder mit welchem Gesichtsausdruck er etwas sagt (oder nuschelt). Also müssen beim Sprechenden in der Corona-Krise doch die Augen und der Rest der Körpersprache mehr ran und die Arbeit übernehmen. Das heißt, dass man sich in Zeiten von Corona beim Kommunizieren etwas mehr anstrengen sollte. Wenn man lächelt, mehr lächeln als sonst und auch mit den Augen lächeln.  Wenn man spricht, deutlicher und langsamer reden. Und auf die Wortwahl achten, weil einem ja niemand etwas von den Lippen ablesen kann. Denn wenn man sich beim Kommunizieren mehr Mühe gibt, kann es – wie in Bangkok – durchaus Spaß machen, gemeinsam gegen die Pandemie anzukämpfen.*

* Übrigens gilt das auch für die Unternehmenssprache. Wer dort nicht auf Verständlichkeit achtet, fällt ziemlich rasch vom Tisch. Aber das kann man vermeiden – indem man mehr zuhört. Gespräche oder Diskussionen nicht für Wettbewerbe oder den Kampf um die Deutungshoheit hält. Sondern auch mal Dinge stehen lässt.

Zurück zum Normalen

Woran man allerdings nichts ändern kann, ist, dass viele die momentanen Entwicklungen „the new normal“ nennen. „Neue Normalität“, das klingt, finde ich, wirklich beängstigend ernst. Weil das Unterbewusstsein keinen Unterschied zwischen „Normalität“ und „Realität“ macht, wäre mir von staatlicher Seite aus eine andere Formulierung lieber gewesen. Denn Corona-Krise hin und her – hier hätte man mit Sprache behutsamer – und einfallsreicher – vorgehen können.

Aber was soll’s. Eigentlich ist „The New Normal“ doch eine nette Geste und ein freundlicher Versuch, die von allen erlebten Veränderungen anzumoderieren, erlebbar und verständlich zu machen.

Wobei man sich jedoch fragen kann, ob das nötig ist. Weil doch alles, was eine Zeitlang anhält, ganz normal wird.

Mal sehen. Wenn der vorhergehende Satz stimmt, werden spätere Generationen auf die Frage „Was war denn da los in 2020/21?“ wahrscheinlich nur eine Antwort haben: „Nix.“ Oder, noch wahrscheinlicher: „Keine Ahnung.“

Die Fotos

Vielen Dank an Peter Nitsch, Fotograf und Designer mit Wohnsitz in Bangkok, für die Verwendung seiner Fotos für diesen Artikel. Das erste Foto oben wurde im September 2020 im Flugzeug geschossen. Es zeigt die Bord-Crew bei dem Flug von München nach Bangkok in der üblichen Schutzkleidung. Die einfühlsamen Portraits zeigen Menschen in Bangkok mit Corona-Masken.

Lesenswertes zur Sprache in der Corona-Krise

Wie Corona die Sprache verändert hat, wird beim Leibnitz Institut für Sprache ebenfalls intensiv erforscht.

Und auch die Bundeszentrale für politische Bildung hat die gesellschaftlichen Aspekte des Coronavirus ausführlich bearbeitet

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